Vorbilder gab es in der Reiterei zu allen Zeiten – fragwürdige und strahlende. Manche prägten den Reitstil vieler folgenden Generationen. Dorothee Baumann-Pellny geht auf Spurensuche und plädiert für eine gute Balance zwischen Vergötterung, berechtigtem Zweifel und bewusstem Realitätssinn. 

Was der Mensch als Vor­bild sieht, kann ein Phil­an­throp, ein Franz von Assi­si, ein Olym­pio­ni­ke sein, aber auch ein äuße­res Erschei­nungs­bild, die Kör­per- und Geis­tes­hal­tung, eine Idee oder Lebens­phi­lo­so­phie. Der Urinstinkt der Mime­sis gebiert das Vor­bild. Jedes Men­schen­kind und Tier­jun­ge nimmt die Hand­lun­gen sei­ner Eltern durch Beob­ach­tung wahr, reagiert auf deren Lau­te und Berüh­run­gen und über­nimmt sie dann selbst. Dem­nach haben alle mensch­li­chen Betä­ti­gungs­fel­der ihre Vor­bil­der, die jedoch oft dem jeweils herr­schen­den Zeit­geist ent­sprin­gen.
Im Rei­ter wach­sen sie durch Ein­drü­cke aus Lite­ra­tur und Film oder durch rea­le Zeit­ge­nos­sen, die ihn hin­füh­ren zu den Reit­wei­sen und ihren Prot­ago­nis­ten. Ein brei­tes Spek­trum an selbst­ge­wähl­ten, ange­streb­ten Zie­len also, die für ihn moti­vie­rend und weg­wei­send sind. Haupt­säch­li­che Wün­sche eines Reit­an­fän­gers kon­zen­trie­ren sich oft auf die Ver­bun­den­heit mit dem Part­ner Pferd beim Rei­ten im Gelän­de oder beim Tur­nier, bei dem der Vier­bei­ner alles für ihn gibt. Die reel­le Reit­aus­bil­dung för­dert in ers­ter Linie den kor­rek­ten Sitz und die inne­re Hal­tung, den soge­nann­ten Reitergeist.

Früher war nicht alles besser. Auch nicht die Reiterei und ihre Vorbilder

Rei­ter­sta­tu­en erin­nern an ver­gan­ge­ne gro­ße Tage des Pfer­des. In ihrer Erha­ben­heit und gezü­gel­ten Kraft ver­sinn­bild­li­chen sie die Mobi­li­tät und Macht ihrer Rei­ter. Das Pferd allein als Denk­mal wäre ein­zig­ar­ti­ges Vor­bild für treue, bereit­wil­li­ge Diens­te und stum­mes Dul­den. Dabei ist der Rei­ter auch ein­mal nur als Beherr­scher eines Wesens zu betrach­ten, das er benutz­te, um sich fort­zu­be­we­gen, mit­un­ter auch um Gewalt und Unter­jo­chung zu ver­brei­ten. Im Geschichts­ver­lauf hob man vie­le auf den Sockel. Manch edler Vor­rei­ter wies der Mensch­heit gute Wege, fal­sche dage­gen wer­fen sie bis heu­te zurück in die Bar­ba­rei. Dies stellt Vor­bil­der auch in Fra­ge und for­dert einen von Ver­nunft gesteu­er­ten Spa­gat zwi­schen emo­tio­na­ler Ver­göt­te­rung, berech­tig­tem Zwei­fel und bewuss­tem Rea­li­täts­sinn.
Die Rei­te­rei dien­te bis ins 20.Jh. haupt­säch­lich der Kriegs­füh­rung, dem zivi­len Trans­port­we­sen und der Macht­vor­füh­rung. Im Vor­der­grund stan­den meist die Kriegs­her­ren. Weni­ger jene Reit­meis­ter, wel­che ent­spre­chend ihrem Wis­sen und ihren Mit­teln oft in lan­ger, stil­ler Arbeit nach scho­nen­den Aus­bil­dungs­wei­sen such­ten, durch die ja haupt­säch­lich das Mili­tär­pferd län­ger leis­tungs- und gebrauchs­fä­hig blei­ben soll­te.
In frü­he­ren Zei­ten erscheint der Mensch, unab­hän­gig von sei­ner Bil­dung, ein­fa­cher, natur­be­zo­ge­ner und inten­si­ver der Beschäf­ti­gung mit ein­zel­nen Din­gen hin­ge­ge­ben. Die geho­be­ne Gesell­schaft zeig­te sich nach außen wür­de­voll, gesit­tet, rit­ter­lich. In Wahr­heit kennt man die Umgangs­for­men beson­ders im Mit­tel­al­ter, je nach Gesell­schafts­schicht, durch­aus als weni­ger höf­lich. Dies beka­men auch die Pfer­de zu spü­ren. Wer glaubt, frü­her war alles bes­ser, irrt, denn auch die Rei­te­rei erscheint in allen Schat­tie­run­gen, bis ins tiefs­te Schwarz.
Ver­gan­ge­ne Reit­kul­tur hin­ter­ließ die Schrif­ten von Reit­meis­tern, von denen man­che das Pferd im Detail stu­dier­ten, ande­re nur als Wich­tig­tu­er auf­tra­ten. In ihren Sys­te­men und Sicht­wei­sen tau­chen quä­le­ri­sche Metho­den eben­so auf wie eine auf psy­cho­lo­gi­schem Ver­ständ­nis und Natür­lich­keit auf­bau­en­de Pfer­de­aus­bil­dung. Man­cher in Stil­le schaf­fen­de Meis­ter gab sein Wis­sen oft nur münd­lich an sei­ne Schü­ler wei­ter und deren Ein­stel­lung gegen­über der Sache ent­schied letzt­lich, ob eine Leh­re ver­wäs­ser­te oder ihre Bot­schaft erhal­ten blieb.
In Stein gemei­ßelt waren dage­gen die Wor­te des Per­ser­kö­nigs Dari­us, die man bei sei­ner Grab­stät­te nahe Per­se­po­lis fand: 

Es ist mei­ne Art, dass ich das Rich­ti­ge lie­be und das Böse has­se. Ich bin nicht zorn­mü­tig und mei­ne Lei­den­schaf­ten hal­te ich streng im Zaum. Ich bin ein ech­ter Rei­ter…“ Per­ser­kö­nig Darius 

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Lesen Sie wei­ter in Reit­Kul­tur – Aus­ga­be Nr. 8